XY, den 00.09.2018

LehrerInnenvollversammlung

der XY Schule

Straße

12345 XY

 

An
Frau Ministerin Yvonne Gebauer

Ministerium für Schule und Bildung
des Landes Nordrhein-Westfalen

40190 Düsseldorf

 

- auf dem Dienstweg -

 

Überlastung von Lehrkräften

Sehr geehrte Frau Ministerin

die seit Jahren steigende Belastung der Lehrkräfte hinterlässt immer deutlichere Spuren, Erschöpfung und Stresssymptome machen sich verstärkt bemerkbar. Aber nicht nur unsere Gesundheit leidet, sondern auch die Qualität unserer Arbeit, da selbst bei permanentem Einsatz jenseits der Belastungsgrenze die wachsenden Anforderungen nur noch mit Abstrichen zu bewältigen sind. Dem Erziehungs- und Bildungsauftrag können wir auch nach Ausnutzung aller zurzeit zur Verfügung stehenden Ressourcen an vielen Stellen nicht mehr umfassend gerecht werden.

Volle Stelle muss zumutbar sein!

Die Arbeitsbelastung einer mit voller Pflichtstundenzahl arbeitenden Lehrkraft muss so beschaffen sein, dass weder ihre Gesundheit geschädigt wird noch dienstliche Aufgaben vernachlässigt werden müssen. Dies haben Sie als Dienstherrin und die Schulaufsicht als Dienstvorgesetzte im Rahmen Ihrer beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht zu gewährleisten. Dazu muss vor allem die Pflichtstundenzahl reduziert werden. Es muss möglich sein, ein volles Deputat, bei Einhaltung der Maßgaben für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu schultern. Es darf nicht sein, dass sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen gezwungen sehen, ihre Stelle zu reduzieren und damit auf Gehalt und Pensionsansprüche zu verzichten, um Gesundheit und Arbeitsqualität zu erhalten.

Arbeitsbedingungen den für die Gesundheit geltenden Normen anpassen!

Arbeitsqualität und Gesundheit werden auch durch die völlig unzureichende Ausstattung unserer Arbeitsplätze gefährdet: Es existieren zu wenige geeignete Büroarbeitsplätze. Materialien müssen zwischen Wohnung und Schule sowie vermehrt zwischen unterschiedlichen Schulstandorten hin- und hergeschleppt werden. Konzentriertes Arbeiten und das Führen ungestörter Gespräche sind praktisch unmöglich. Für Beratungsgespräche von Eltern und Schülern steht den Lehrkräften in der Regel kein besonderer Raum zur Verfügung. Für die „Pausen" fehlen Ruhebereiche, in denen man sich erholen könnte, obwohl sie in den Arbeitsschutzbestimmungen vorgesehen sind. Die Möglichkeit einer vollwertigen und gesunden Verpflegung während der Arbeitszeit ist nicht an allen Schulen gewährleistet.

Wachsende Arbeitsbelastung stoppen - Arbeitsbelastungen reduzieren!

In den letzten Jahren wurde die Pflichtstundenzahl erhöht, obwohl sich die Unterrichtsbedingungen erschwert haben und an Unterricht weitaus komplexere Anforderungen gestellt werden. Dazu gab es viele arbeitsintensive Neuerungen, deren Ende nicht absehbar ist. Parallel dazu wurden Ermäßigungs- und Deputatstunden abgebaut. Stellen für technische Warte u.Ä. stehen i.d.R. nicht zur Verfügung, um einen reibungslosen und sicheren Betrieb moderner Technologien zu gewährleisten.

Exemplarisch für die zahlreichen Zusatzbelastungen seien genannt:

  • Arbeit am Schulprogramm bzw. Schulprofil

  • Erarbeitung verschiedener Konzepte (Medien-, Vertretungs-, Förder-, Methodenkonzepte, Curricula, Umsetzung kompetenzorientierter Lehrpläne usw.)

  • Vorbereitung, Durchführung der Besuche durch das Dezernat für Qualitätsentwicklung, sowie die Umsetzung der Vereinbarungen

  • Zunehmende Zahl an Konferenzen, Dienstgesprächen, Abteilungs-, Fachbereichskonferenzen, Arbeitskreisen, Teamsitzungen und Koordinationstreffen

  • Zunahme des Integrationsaufwands von problematisch sozialisierten oder lernschwachen Kindern

  • Zunahme der Anzahl von Gesprächen mit Erziehungsberechtigten, Maßnahmeträgern und Ausbildungsbetrieben durch Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten (z.B. KIs, Sozialassistenz, Erziehungsberatungsstellen, Fachärzte u.a. für Psychiatrie)

  • Zunahme der generellen Korrekturarbeit und häufige Wiederholungen von Klassenarbeiten aufgrund mangelnder deutschsprachlicher Kompetenzen und Absentismus

  • Verpflichtung zu berufsfremden Arbeitsaufträgen und berufsfremden Posten (z. B. Erste Hilfe, Feuerschutz, Datenschutz- und lT-Beauftragte, Jugend- und Medienschutz, Gesundheit, Arbeitssicherheit, etc.)

  • Zusätzliche Belastung durch Wartung und Instandhaltung der Medientechnik durch Kollegen/Kolleginnen

  • Zunehmende Raumnot und mangelhafter Zustand und Ausstattung vieler Räume

  • Räume und deren Ausstattung, die den Anforderungen moderner Unterrichtsformen und gesunder Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht mehr entsprechen

  • überproportionale Belastung der Teilzeitkäfte und Schwerbehinderten durch die Einbindung in alle oben beschriebenen Arbeitsbereiche mit immer weniger realisierbaren Entlastungsmöglichkeiten

  • steigende Belastungen durch häufigere Gründungen von Zweit- und Drittstandorten von Schulen ohne damit verbundene Ressourcen für entstehende Belastungen (wie Mehraufsichten/ Fahrtwege/ schwierigere Stundenpläne, zu besetzende Sekretariate an mehreren Orten/ etc.)

  • vermehrte zentrale Prüfungen (u.a. auch Prüfungen zur Feststellung der mündlichen Sprachkompetenz in modernen Fremdsprachen)

  • Inklusionsaufgaben ohne ausreichende personelle, fachliche und räumliche Ressourcen

  • Integrationsaufgabe von Flüchtlingen und anderen Migranten, teilweise mit Traumatisierungserfahrungen und hohem Alphabetisierungsbedarf bei immer stärker steigenden „Abschulungszahlen“ von „Seiteneinsteiger“- Kindern von Gymnasien und Realschulen an Gesamtschulen (und Hauptschulen, wo es sie noch gibt)

  • all diese Aufgaben sollen bewältigt werden unter den Gegebenheiten eines in einigen Bereichen eklatanten Lehrermangels, so dass in vielen Kollegien Stellen regelmäßig nicht besetzt werden können und mehrfach „leerlaufen“ - die Arbeiten müssen dann übernommen werden von den noch vorhandenen KollegInnen

Aufgrund der Vielzahl der Belastungssituationen ist es dringend notwendig, dass unsere Arbeitsbedingungen den für die Gesundheit geltenden Normen angepasst werden! Die Zahl der Anrechnungsstunden muss dringend erhöht werden!

Um dies zu erreichen, ist es notwendig, dass in erster Linie die Pflichtstundenzahl reduziert wird, die Klassen kleiner werden und die Arbeitsbedingungen in der Schule verbessert werden.

Ergänzt werden kann dies durch bauliche Maßnahmen wie z.B. der Reduzierung des Lärmpegels in den Klassen mit Hilfe von Dämmung oder durch Schaffung von Differenzierungsräumen, durch Bereitstellung adäquater Büroarbeitsplätze, durch Schaffung von Aufenthaltsräumen für die Zeit zwischen Unterricht am Vormittag und Unterricht bzw. weiteren Veranstaltungen am Nachmittag oder Abend. Außerdem sind Räumlichkeiten für Tagungen, Koordinationen etc. notwendig.

 

Die Schulsozialarbeit muss ausgebaut werden und für berufsfremde Aufgaben (z.B. Medientechnik) müssen Fachkräfte eingestellt werden.

Aufgabenbeschreibungen für SonderpädagogInnen im Regelschulsystem müssen sinnvoll erstellt werden; dazu muss gewährleistet sein, dass SonderpädagogInnen ihre Kompetenzen in der direkten Arbeit an und mit den Kindern einbringen können und nicht lediglich beratend als Ansprechpartner für zahlreiche Nicht- SonderpädagogInnen in zum Teil riesigen Großsystemen. Die „Versorgung“ aller Schulen, die inklusiv arbeiten, mit ausreichenden Anzahlen von Sonderpädagogen muss dringend gewährleistet sein. Eine Deckelung von Versorgungsbudgets kann steigende Zahlen von Kindern mit Förderbedarfen nicht berücksichtigen und gehört abgeschafft. Regelungen, die die Eröffnung von AOSFs zur Ermittlung von Förderbedarfen einschränken und damit erschweren, verschlechtern mögliche und zum Teil dringend notwendige Förderzuwendungen bedürftiger Kinder und gehören ebenfalls abgeschafft; die angemessene „Versorgung“ solcher Kinder ohne entsprechende Ressourcen ist an vielen Stellen schlicht nicht zu leisten.

Dazu müssen systemische Widersprüche dringend angegangen werden – Inklusion innerhalb eines grundlegend auch selektiven, allokativen, gegliederten Systems schließt sich ebenso aus wie letztlich auf Individualisierung hinauslaufende „Kompetenzorientierung“ bei gleichzeitigem Primat immer mehr zentraler Prüfungsformate.

Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung, Erziehung und individuelle Förderung, die im Schulgesetz, in Rahmenlehrplänen und Qualitätsstudien permanent gefordert werden! Wir nehmen massiv wahr, dass mit den geschilderten zum Teil sehr schlechten Rahmenbedingungen Abstriche bei der Unterrichtsqualität und bei unserem eigentlich weiten Bildungsauftrag billigend in Kauf genommen werden (müssen), damit werden sowohl die Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften als auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern verletzt.

 

Wir weisen auf eine allgemeine Überlastungssituation hin.

Durch die extrem gewachsene Zahl an dienstlichen Aufgaben und systemisch unzureichende Setzungen sind viele Lehrkräfte nicht mehr dazu in der Lage, ihre Arbeit vollständig, qualitativ angemessen und in erforderlicher Sorgfalt auszuführen, ohne ihre Gesundheit zu gefährden.

Wir weisen darauf hin, dass aufgrund der beschriebenen Situation Fehler entstehen können, durch die Dritte geschädigt werden, vor allem Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr die optimale Unterrichtsqualität, Betreuung, Beurteilung, Aufsicht und letztlich Bildung erhalten, aber auch Eltern und schließlich wir als KollegInnen selbst.

Wir sehen an vielen Stellen Gefahr im Verzug und dringenden Handlungsbedarf.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

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XY

(im Auftrag der LehrerInnenvollversammlung der XY- Schule)